FA ist an fehlerhafte Sanierungsbescheinigung der Gemeinde gebunden
Das Finanzamt ist hinsichtlich der Inanspruchnahme der sog. Sanierungsabschreibung an die Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde hinsichtlich der Frage gebunden, ob es sich um steuerlich begünstigte Baumaßnahmen in einem Sanierungsgebiet handelt. Dies gilt auch dann, wenn diese Bescheinigung fehlerhaft ist. Die Bindung besteht nur dann nicht, wenn die Bescheinigung zurückgenommen bzw. widerrufen wird oder aber nichtig ist.
Hintergrund: Vermieter können auf die Kosten für bestimmte Modernisierungs- und Instandsetzungskosten bei Gebäuden in einem Sanierungsgebiet oder einem städtebaulichen Entwicklungsbereich erhöhte Abschreibungen von jährlich 9 % in den ersten acht Jahren vornehmen. Dies gilt allerdings nur für solche Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die die Gemeinde angeordnet hat. Weitere Voraussetzung ist eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde, die u.a. bestätigt, dass das Grundstück in einem Sanierungsgebiet liegt und dass es sich um steuerlich begünstigte Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen handelt.
Streitfall: Die Kläger erwarben eine vermietete Immobilie in einem Sanierungsgebiet und modernisierten das Haus; allerdings hatte die Gemeinde die Modernisierung nicht angeordnet. Die zuständige Gemeindebehörde erteilte dennoch eine Bescheinigung, dass es sich um Modernisierungsmaßnahmen gehandelt habe, die von der Gemeinde angeordnet worden seien, und dass die Immobilie in einem Sanierungsgebiet liege. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachte Sanierungsabschreibung nicht an und regte bei der Gemeindebehörde die Aufhebung der Bescheinigung an. Dem kam die Gemeinde nach und nahm ihre Bescheinigung zurück. Die Kläger klagten vor dem Verwaltungsgericht (VG) mit Erfolg gegen die Rücknahme der Bescheinigung. Das Finanzamt erkannte aber dennoch die Sanierungsabschreibung nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
Die Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde, dass das Grundstück in einem Sanierungsgebiet liegt und dass es sich um Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen handelt, die von der Gemeinde angeordnet worden waren, ist für das Finanzamt bindend. Denn das Finanzamt kann diese Voraussetzungen mangels eigener Sachkunde nicht überprüfen und soll sich daher auf die Bescheinigung der Gemeindebehörde stützen. Dies gilt auch dann, wenn diese Bescheinigung fehlerhaft ist; im Streitfall ergibt sich die Fehlerhaftigkeit daraus, dass die Modernisierung von der Gemeinde gar nicht angeordnet worden war.
Die Bindung des Finanzamts an die Bescheinigung besteht nur dann nicht, wenn die Gemeinde die Bescheinigung förmlich zurückgenommen oder widerrufen hat oder wenn die Bescheinigung von vornherein nichtig und deshalb unwirksam ist. Eine bloße Fehlerhaftigkeit und damit Rechtswidrigkeit der Bescheinigung führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit und beseitigt daher auch nicht die Bindungswirkung für das Finanzamt.
Im Streitfall war die Bescheinigung wirksam. Zwar war sie von der Gemeindebehörde zurückgenommen worden; dieser Rücknahmebescheid ist jedoch vom VG aber aufgehoben worden. Dass die Gemeindebehörde zu Unrecht von einer Anordnung der Modernisierung ausgegangen war, führt nicht zur Nichtigkeit der Bescheinigung.
Hinweise: Der BFH hält es nicht für rechtsmissbräuchlich, dass sich die Kläger auf die Bindungswirkung der Bescheinigung berufen. Es handelt sich insoweit auch nicht um eine versuchte Steuerhinterziehung.
Außerdem stellt der BFH klar, dass sich aus der Bescheinigung nicht die Höhe der begünstigten Kosten ergeben muss. Anders ist dies bei erhöhten Abschreibungen für Baudenkmäler; hier verlangt der Gesetzgeber eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde über die Erforderlichkeit der Aufwendungen.
Das Urteil macht deutlich, dass sich ein Vermieter gegen eine Rücknahme oder gegen einen Widerruf der Bescheinigung verwaltungsrechtlich wehren sollte, wenn er die erhöhten Abschreibungen geltend machen will. Denn werden die Rücknahme oder der Widerruf bestandskräftig, sind die erhöhten Abschreibungen nicht mehr möglich.
BFH, Urteil vom 17.4.2018 – IX R 27/17, NWB