Kein Abzug von Betriebsausgaben für Erststudium trotz Zusammenhangs
Aufgrund des gesetzlichen Abzugsverbots von Betriebsausgaben dürfen Kosten für ein Erststudium auch dann nicht abgezogen werden, wenn der Student bereits unternehmerisch tätig ist und das Studium diese Tätigkeit fördern soll. Bei einem Erststudium besteht nämlich immer auch ein Zusammenhang zur privaten Lebensführung.
Hintergrund: Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder für ein Erststudium waren nach früherer Rechtsprechung grundsätzlich nur als Sonderausgaben abziehbar. Im Jahr 2011 änderte der Bundesfinanzhof (BFH) aber seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerpflichtigen und erkannte die Aufwendungen nunmehr als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben an. Daraufhin führte der Gesetzgeber noch im Jahr 2011 ein Abzugsverbot für Kosten einer Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums ein, das rückwirkend seit dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten sollte.
Sachverhalt: Die Klägerin besuchte zunächst in Weißrussland eine Kunstschule und studierte auch in Weißrussland, schloss aber weder die Kunstschule noch das Studium ab. Sie zog 2004 nach Deutschland und begann hier ein Studium der Slawistik und Kunstpädagogik, das sie 2010 abschloss. Schon in Weißrussland hatte die Klägerin als selbständige Künstlerin und Buchillustratorin gearbeitet und setzte diese Tätigkeit in Deutschland fort. Im Veranlagungszeitraum 2004 machte sie die Kosten für ihr Studium in Deutschland i.H. von ca. 9.000 € als Betriebsausgaben im Rahmen ihrer künstlerischen Tätigkeit geltend. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich 4.000 € als Sonderausgaben. Hiergegen klagte die Klägerin und ging schließlich zum BFH. Während des Revisionsverfahrens im Jahr 2011 trat das gesetzliche Abzugsverbot für Studienkosten als Betriebsausgaben rückwirkend ab 2004 in Kraft.
Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:
- Der Betriebsausgabenabzug ist wegen des 2011 verabschiedeten gesetzlichen Abzugsverbots für Kosten eines Erststudiums nicht möglich. Bei dem im Jahr 2004 in Deutschland begonnenen Studium der Slawistik und Kunstpädagogik handelte es sich um ein Erststudium und nicht um ein Zweitstudium. Denn die Klägerin hatte ihr vorheriges Studium in Weißrussland nicht beendet.
- Das gesetzliche Abzugsverbot für die Kosten eines Erststudiums gilt auch dann, wenn das Studium eine bereits ausgeübte Tätigkeit fördern soll. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass ein Erststudium auch der Persönlichkeitsentwicklung dient und damit stets auch privat veranlasst ist.
- Zwar ist das gesetzliche Abzugsverbot erst im Jahr 2011 verabschiedet worden; es sollte aber rückwirkend ab 2004 gelten und ist damit im Streitjahr 2004 anwendbar. Diese Rückwirkung ist verfassungsgemäß, weil die Steuerpflichtigen im Jahr 2004 und in den Folgejahren kein schutzwürdiges Vertrauen haben konnten, dass Aufwendungen für ein Erststudium als Betriebsausgaben abziehbar sein könnten. Dieses Vertrauen hätte allenfalls im Jahr 2011 entstehen können, als der BFH seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerpflichtigen änderte; hierauf hat der Gesetzgeber mit dem Abzugsverbot aber sogleich reagiert.
Hinweis: Der BFH durfte das gesetzliche Abzugsverbot anwenden, obwohl es erst im Revisionsverfahren in Kraft getreten ist.
Abziehbar bleiben die Kosten für ein Zweitstudium. Dies wäre hinsichtlich des Studiums in Deutschland der Fall gewesen, wenn die Klägerin ihr Studium in Weißrussland mit einer Abschlussprüfung beendet hätte.
Der Abzug als Sonderausgaben hat den Nachteil, dass Sonderausgaben nur in dem Jahr abgezogen werden können, in dem sie bezahlt worden sind. Ein Verlustvortrag oder -rücktrag ist also nicht möglich.
BFH, Urteil v. 16.6.2020 – VIII R 4/20 (VIII R 49/11); NWB